Denkmalschutz: Der Verein ist bestürzt über den Verlust historischer Substanz in der Rainer Altstadt und moniert die „völlig inakzeptable Vorgehensweise“. Bürgermeister Gerhard Martin hat eine Lösung für das Portal zur Polizei vor Augen


Von Barbara Würmseher


Rain: Mit Bestürzung, Unverständnis und Verärgerung reagieren die Stadt Rain und der Freundeskreis Alt-Rain auf den Verlust der historischen Tür am Gebäude der Polizeiinspektion der Tillystadt. Wie mehrfach berichtet, hat das Staatliche Bauamt Augsburg Mitte März das alte Portal des ehemaligen Rainer Rentamts entfernen und durch ein modernes austauschen lassen. Weder Stadt, noch Denkmalamt waren in diese Pläne involviert.


Wie der zuständige Abteilungsleiter des Bauamts, Sebastian Seyboth, auf nochmalige Nachfrage gegenüber unserer Zeitung erklärt, war der Sicherheitsaspekt für den Tausch ausschlaggebend. „Das Innenministerium hat einen Mindeststandard und bauliche Sicherheitsmaßnahmen für Polizeidienststellen festgelegt“, so Seyboth. Hintergrund war ein Vorfall in einer bayerischen Dienststelle, in die ein bewaffneter Täter eingedrungen war. Als Reaktion darauf hat das Polizeipräsidium Schwaben Nord bei allen Polizeidienststellen die Mindeststandards überprüft und – gegebenenfalls – Verbesserungen veranlasst.


Das Präsidium hat anlässlich der Berichterstattung unserer Zeitung bestätigt, dass in Rain Bedarf zur Nachbesserung bestanden hat. Eine Ertüchtigung der historischen Türe war aus Sicht des Staatlichen Bauamts technisch nicht möglich.


Mittlerweile hat das Bauamt die nachträgliche Genehmigung beim Denkmalamt beantragt und Seyboth geht davon aus, dass diese auch erteilt wird. Eine Rückführung der historischen Türe schließt er hingegen aus – eben aufgrund der aktuellen Sicherheitsbestimmungen.


Mit dieser Situation wollen sich nun aber weder die Stadt Rain noch der Freundeskreis Alt Rain zufriedengeben. Bürgermeister Gerhard Martin sieht das Recht auf Denkmalerhalt als ebenso relevant an wie den Sicherheitsaspekt. Er ist deshalb davon überzeugt, dass es eine Lösung geben kann, die beidem gerecht wird. „Wir können diese Lösung finden“, sagt er gegenüber unserer Zeitung, „und wir werden das anregen bis zur letzten Sekunde.“ In einer der nächsten Sitzungen wird sich auch der Stadtrat mit diesem Thema befassen. Dazu wird dann Dr. Markus Weis vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege erwartet.


Auch der Freundeskreis Alt Rain, der in seiner Satzung ausdrücklich den Erhalt kulturhistorischer Denkmäler festgehalten hat, will den Austausch des Portals nicht hinnehmen. Wie dessen Vorstandschaft in einer Presseerklärung wissen lässt, „handelt es sich bei der Tür um ein im heutigen Stadtbild seltenes, noch am originalen Aufstellungsort befindliches und allem Anschein nach funktional kaum zu beanstandendes Dokument des Jugendstils.“ Die vom Bauamt unter dem Sicherheitsaspekt monierte mangelnde Funktionalität der alten Türe ist nun – nach deren Verschwinden – für den Freundeskreis nicht mehr nachvollziehbar.


„Nicht hinzunehmen ist“, so der Vorsitzende Dr. Markus Würmseher und sein Stellvertreter Roland Vogel im Namen des Freundeskreises, „die geringe Wertschätzung, die den Rainer Bürgern durch die Vorgehensweise zuteilwird. Dagegen wenden wir uns ganz entschieden.“ Zwei Gründe sind für den Verein ausschlaggebend:


Der kunsthistorische Aspekt, denn seit 1973 existiert das Bayerische Denkmalschutzgesetz. Würmseher und Vogel: „Es dient zur Weitergabe kulturprägender Aspekte der Vergangenheit für die nachkommenden Generationen.“ Dabei lege das Denkmalschutzgesetz zum einen Wert auf die Summe der einzelnen Bauteile eines Gebäudes, zum anderen auf die Umgebung, in der das Gebäude steht.


Beides – die Notwendigkeit des Schutzes einzelner Elemente wie auch des gesamten Ensembles – ist nach Auffassung des Freundeskreises Alt Rain im vorliegenden Fall „in besonderer Weise gegeben“.


Wie der Verein in seiner Presseerklärung schreibt, „handelt es sich beim Polizeigebäude um das ehemalige Rentamt Rains, also das Finanzamt. Gemeinsam mit dem Amtsgericht (im Schloss) war es bis 1829 (beziehungsweise 1932) Ort der jahrhundertealten, ununterbrochenen Rainer Gerichts- und Verwaltungsgeschichte. Sie reicht bis in die Gründungszeit Rains im 13. Jahrhundert zurück. Auch das besagte Türblatt ist noch für das Rentamt angefertigt worden, in ihm wird ein Teil Rainer Identität ansichtig.“


Der Freundeskreis spricht sich nicht generell gegen eine Verbindung alter architektonischer Elemente mit neuen aus – es gebe bayernweit sogar ganz hervorragende Beispiele, wie das gelingen kann. Doch vermisst der Verein den dazu notwendigen Prozess der Absprache und der konstruktiven Auseinandersetzung. Es gehe ja darum, den Verlust historischen Bestands zu vermeiden. Gerade bei der Türe, die „oft das Antlitz eines Bauwerks ganz entscheidend mitprägt und als Visitenkarte eines Hauses wirkt“, sei dieser Verlust besonders schmerzhaft.


Schließlich ist es ein zweiter Punkt, den der Freundeskreis Alt Rain für „unglaublich“ hält, nämlich die Tatsache, dass die Bürger vom Austausch der Türe vollkommen überrascht wurden. „Das verletzt das Gefühl mündiger Bürgerschaft und widerspricht dem Zeitgeist, der gerade in Bayern mannigfaltige Momente bürgerlicher Mitbestimmung kennt“, heißt es in der Presseerklärung.


Und weiter: „So ist es durchaus üblich, die Bevölkerung bei öffentlichen Baumaßnahmen mitwirken zu lassen. Partizipatorische Aspekte fließen etwa ein beim Bau von Straßen, in die Gestaltung öffentlicher Räume oder der Planung von staatlichen Schulbauten. Nicht zuletzt unterstützen Behörden wie das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bei den unterschiedlichen Maßnahmen. Gerade hier besitzt behördliche Arbeit auch im Vergleich mit anderen Bundesländern eine außerordentlich sensible Kultur.“


Der Verein beklagt massiv, dass im Fall des Polizeigebäudes in Rain dieser „korrekte Weg“ nicht beschritten worden sei und das Denkmalamt vorab nicht eingeschaltet war. „Warum“, so fragt er, „sind Stadt und Bürgerschaft geradezu übergangen worden?“


In den Augen der Vorstandschaft ist es „nicht nur unzeitgemäß, die Bewohner historischer Stadtbilder, die oft genug bereits früher Schaden hinnehmen mussten, vor vollendete Tatsachen zu stellen. Es ist vielmehr, so Markus Würmseher und Roland Vogel, „eine völlig inakzeptable Vorgehensweise mit der kulturellen Identität, von der so oft gesprochen wird. Hier wird auch ein Beispiel gesetzt: Es geht dabei auch um Glaubwürdigkeit, hier um die der staatlichen Baubehörde.


Der Freundeskreis Alt Rain verlangt nun einerseits eine Erklärung für dieses Handeln und andererseits die Perspektive zu einer „ergebnisoffenen Diskussion, die auch die Rückführung der Tür an den ursprünglichen Ort einschließt“.

Donauwörther Zeitung vom 26.05.2018


Stadt und Freundeskreis wollen Türe zurück

IMG_0395.jpg